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Glastonbury Festival 2013 / Re: Arschlöcher
« am: Oktober 13, 2012, 01:21:23 Vormittag »
Samstag, 8. Juli 2006, 3. Feldforschungstag
Wie immer Frühstück um halb 10 und anschließend (um 10 Uhr) die "Ansprache" unseres Herrn Prof. Kaser. Auch heute stellt sich ein gewisser "Mangel" an Problemen in den Forschungsgruppen heraus, sodass wir bald zur Diskussion über den Inhalt unseres letzten Tages in Novi Sad (am Montag) überwechseln können. Seltsamerweise sind heute "ungefähr alle" dafür, dass wir am Montag einen Ausflug in die Fruska Gora und nach Karlovci machen werden. Ich bin auch nicht abgeneigt, denn dort kann man sicher auch etwas vom Lebensstil der Landbevölkerung erkennen, so hoffe ich. Was unser eigentlich ganz passables Zimmer im Hotel betrifft, lässt nur die Putzleistung des Personals sehr zu wünschen übrig. Ein Staubsauger für Teppichböden scheint hier im Haus nicht vorhanden zu sein, und im Badezimmer steht seit zwei Tagen das Wasser und quillt unter einer Gummimatte hervor. Wir, die "Gruppe Organisation", verbringen den heutigen Nachmittag mit einigen KollegInnen der Gruppe "Sex, Drugs and Rock'n Roll" im Stadtzentrum. Briefmarken für unsere Postkarten bekommt man hier scheinbar nur bei der Post - und dort sind die Beamtinnen ganz im Gegensatz zu unserem allgemeinen Eindruck über die Freundlichkeit der Menschen hier in Serbien alles andere als zuvorkommend und nett. Auch wenn eine ganze Reihe Leute schon am Schalter wartet, wird z.B. eine Minute vor Ende der Mittagspause kein Finger gerührt. Unter den Schatten spendenden Schirmen eines der vielen Lokale in der Nähe des vermeintlichen "Hauptplatzes" finden unsere Kollegen mit zwei als Krankenschwestern mit sehr knappen Röcken verkleideten Kellnerinnen ein gefundenes Fressen. Sie dienen als Werbung für den Energy Drink Flash Power. Überhaupt sind hier in Novi Sad ganz allgemein die Röcke der Frauen deutlich kürzer als bei uns in Österreich. Bei unserem Essen in einem Gastgarten hat einer unserer Kollegen Probleme, ein geeignetes WC mit Licht und Verriegelung zu finden. Im Supermarkt "Delta Maxi" in der Innenstadt gibt es an den Kassen zu meiner großen Überraschung hochmoderne Flachbettmonitors zur Anzeige der bereits bezahlten Waren usw. Die Preise werden mit zwei Kommastellen ausgewiesen, jedoch bezahlt man immer auf Ganze gerundete Preise. Der Supermarkt ist nicht sehr groß, doch der größte, den wir bis jetzt gesehen haben. Ansonsten gibt es sehr viele ganz kleine Lebensmittelgeschäfte, wie sie bei uns seit etwa 15 Jahren aussterben. Als wir von dort um etwa 16 Uhr mit dem Bus zurück in unser Hotel fahren wollen, warten wir 20 Minuten vergeblich auf die Linie 9, obwohl deren Fahrzeiten auch an dieser Haltestelle ausgewiesen sind. Ich vermute, dass dies für alle Linien an allen Haltestellen oder so der Fall ist. Schließlich riskieren wir eine Fahrt mit der Linie 6, die laut Stadtplan ebenso in unsere Richtung fahren müsste. Dem ist auch so, nur werden wir nach Sichtung eines Richtungsschildes "Hotel Duga" an einer Haltestelle nervös und springen zu früh aus dem Bus heraus, wodurch wir einen längeren Fußweg machen müssen, der uns genau zu jener besonderen weißen, russisch-orthodoxen Kirche führt, von der aus es ganz leicht ist, nach Hause zu finden. Den frühen Abend verbringen wir auf der Veranda unseres Hotels mit etwas kräftigeren Kostbarkeiten, wodurch unsere Gruppe stetig anwächst, bis sie schließlich knapp die Hälfte der Exkursionsmannschaft erfasst. Danach, erst nach 9 irgendwann, geht's ab zum Festival. Schon von der Brücke aus, über die man mit dem Bus Nr. 9 hin zur Festung Petrovaradin gelangt, sieht man ein Schild "State of EXIT" an der Festungsmauer angebracht. Und auch an allen Bushaltestellen der Stadt findet man einen Plan des Festivalgeländes sorgfältig aufgehängt. Auf jener Zufahrtsbrücke sieht man massenweise Fußgänger und auch Autos sich zur Festung hinbewegen - letztere werden von Polizisten mit Pfeifen entlang der Donau umgeleitet. Öffentliche Shuttle-Einrichtungen zum Festival sind nicht eingerichtet, dafür reichen die City-Linienbusse Nr. 3 und 9 aus, die fast genau beim Haupteingang stehen bleiben. Ihre Taktung beträgt 12 bis 20 Minuten, wie wir an den Haltestellen ablesen können, und sie verkehren von viertel 6 am Morgen bis etwa 23.30 Uhr. Außerdem gibt es jede Menge an billigen Taxis. Binnenshuttles am Festivalgelände sind nicht vorhanden, dafür sind wohl die Wege zu schmal. Und da das komplette Burggelände zum Zwecke des Festivals verwendet wird und sich überall Stände und Bühnen befinden, würde es auch wenig Sinn machen, motorisiert weite Strecken zurückzulegen. Fluchtwege sind keine zu sehen, denn an vielen Stellen würde man einfach tief fallen. Diese Abgründe sind durch stabile und über zwei Meter hohe Gitter gesichert, dazu gibt es auch in gewissen Abständen Warnschilder vor dem Abgrund. Auch der schmale Nebeneingang nahe der Main Stage scheint nicht als Fluchtweg vorgesehen zu sein. Die Security sind in drei Farben gekleidet: jene mit grünen T-Shirts arbeiten an den Drehkreuzen am Haupteingang, die mit roten T-Shirts stehen an Absperrungen und weisen die Besucher in die richtige Richtung, und schwarz gekleidete Security machen so wie viele Polizisten Patrouille am ganzen Gelände. Alles in allem sind Stefan K., Stefan B. und ich am heutigen kürzeren Besuch am Festival (bis gegen halb zwölf) von der Organisation des Festivals recht begeistert, da es z.B. weder am Eingang, an den Toiletten oder am Bier-Verkauf zu größeren Wartezeiten kommt. Einige Probleme diesbezüglich am ersten Tag scheinen behoben zu sein.
Sonntag, 9. Juli 2006, 4. und letzter Feldforschungstag
Bei unserem 10-Uhr-Treffen weist uns Herr Prof. Kaser darauf hin, wir sollten uns bewusst sein, dass heute der letzte Festival-Tag ist und wir unsere Arbeit abschließen müssen: "Heute muss alles ins Kast’l". Nach einem sehr deftigen nachmittäglichen Essen in der Nähe unseres Hotels, bei dem 4 äußerst freundliche SerbInnen (Kellner und Gäste) vonnöten sind, uns die nur in Serbisch (und Kyrillisch) gehaltene Speisekarte zu erklären, bewegen wir uns um 17.30 Uhr mit dem Bus in Richtung Festivalgelände, denn wir haben bis zum abendlichen Fernseh-Pflichttermin, das Fußball-WM-Finale Italien gegen Frankreich, nicht viel Zeit. Heute sind wir zu viert unterwegs, denn ein (der serbischen Sprache mächtiger) Kollege der Forschungsgruppe "Sex, Drugs and Rock'n Roll" begleitet und unterstützt uns freundlicherweise. Unser erster und wichtigster Programmpunkt für heute ist der Festival-Campingplatz, der doch recht weit vom Festivalgelände entfernt liegt - auf der anderen Seite der Donau, zu Fuß mindestens 15 Minuten! Dort herrscht um etwa 18.30 Uhr viel Stimmung: mit Musik, in der Donau badenden Gästen, umgeben von Speise- und Getränkeständen sowie ausreichend "Toi Toi"-Toiletten. Ich würde den Campingplatz als einen eigenen, besonderen Festivalbereich bezeichnen. Es gibt dort auch Händler für EXIT-T-Shirts (ich kaufe mir ein rotes für 400 Dinar, also etwa 5 Euro), EXIT-Hüte und Buttons von Musikgruppen. Und einen scheinbar wenig verwendeten Fahrrad-Verleih (Rent a bike) - vielleicht, weil die Preise recht hoch sind: pro Tag bezahlt man 1.000 Dinar, für 4 Tage 3.000 Dinar und für eine Stunde 150 Dinar. Dafür handelt es sich jedoch um scheinbar neuwertige Fahrräder. Sonderbar am recht voll belegten Campingplatz scheinen mir die kleinen schwarzen "Tuborg"-Einmannzelte, die alle an einem Eck aufgestellt sind. Am Campingplatz fragen wir auch ein paar Polizisten, ob wir von ihnen ein Foto machen dürfen - sie erklären uns jedoch, dass dies nicht erlaubt ist. Besonders auffallend ist aber ihre ausgesprochene Freundlichkeit und Geduld im Vergleich zu österreichischen Polizisten, aber auch ihre guten Englischkenntnisse im Vergleich zu anderen Bürgern von Novi Sad. Genau dieselbe Erfahrung in puncto Freundlichkeit mache ich mit weiteren ungefähr 7 Polizisten, die ich heute, den Verkehr zum Festival betreffend, Fragen stelle - als einzige Ausnahme kann einer von ihnen kein Englisch sprechen. Jedenfalls kann ich folgendes erfahren: es stimmt, dass die City-Linienbusse 3 und 9 zum Festival hin fahren, die pfeifenden Polizisten nach der Brücke leiten die Autofahrer der Donau entlang um (hier geht es zu keinem besonderen Parkplatz) - Parkmöglichkeiten für Festivalbesucher sind einfach an mehreren Orten in der Nähe der Festung Petrovaradin vorhanden - und diese Umleitung geradeaus in Richtung Haupteingang zum Festival passieren dürfen nur Anrainer und VIPs. Was mir (während die beiden Stefans oben am Festivalgelände noch ein paar Schnappschüsse erledigen) aber noch besonders am Herzen liegt, ist diesen am Plan für die Festung Petrovaradin und das Festivalgelände extra ausgewiesenen "Car Park" auf der anderen Seite der Festung ausfindig zu machen. Dahin scheint es sehr weit zu sein, doch unser "fremder" Kollege aus der anderen Gruppe begleitet mich so treu wie Sancho Pansa seinen Herrn Don Quijote auf meiner Wanderung. So verrückt und spaßig diese auch ist, als wir (ich) jeden Polizisten, den wir antreffen, um Auskunft fragen - nach einer halben Stunde in eine Richtung und ungünstigen Entfernungsprognosen sowie Zeitknappheit (es ist bereits 19.45 Uhr) müssen wir sie abbrechen und versuchen am Rückweg zum Haupteingang wenigstens den schon zuvor bemerkten kleineren Parkplatz ein wenig zu analysieren. Und zwar sind Alter als auch Marken der Fahrzeuge recht bunt gemischt - neben einheimischen, sehr alten Yugos und Zastavas, gibt es vor allem auch etwas ältere (1980er) deutsche (VW und Opel) und französische Autos (Renault, Peugeot). An tendenziell neueren Marken sind Skoda, Ford und eine bunte Mischung aus "Japanern" vorhanden. Mein Gefährte ist auch in der Lage, mir den Hinweiszettel (einfach an einem Mast angeschlagen) vom Serbischen ins Deutsche zu übersetzen. Nachdem wir oben beim Haupteingang die beiden Stefans noch einmal treffen, stellen wir in einer kleinen abschließenden Runde noch fest, dass es neben der nicht allzu großen Main Stage weitere 11 knapp halb so große Nebenbühnen gibt und dass eine kulturelle Einbindung dieser historischen Festung für das EXIT-Festival so gut wie gar nicht stattfindet und sie daher kaum zu Repräsentationszwecken verwendet wird. Als einzigen besonderen Vorteil der durch die Burg erhöhten Lage des Festivals (zu dem laut Information unseres Prof. Kaser insgesamt 140.000 Besucher erschienen sind, also etwa 35.000 pro Tag) bemerken wir die allgemeine Augenscheinlichkeit des Veranstaltungsortes von Weitem und von allen Richtungen aus. Zurück in unser Hotel geht's heute mit dem Bus, da wir vermeintlich noch genügend Zeit haben - aber dort angekommen muss ich mit Bedauern feststellen, dass das Fußball-WM-Finale Italien gegen Frankreich entgegen meines Wissens bereits um 20 statt 21 Uhr angepfiffen wurde und schon einige von unserer Exkursionsgruppe in der Hotel-Aula vor dem großen Fernsehbildschirm sitzen. Trösten kann mich aber der unentschiedene Halbzeitstand von 1:1, das um 30 Minuten verlängerte Spiel mit einer Entscheidung erst im Elferschießen und dass der Pokal endlich mal wieder nach Italien wandert.
HEIMREISE:
Montag, 10. Juli – Dienstag, 11. Juli 2006
Bevor wir die Heimreise antreten, fährt die ganze Exkursionsmannschaft am Montagnachmittag mit einem gemieteten Bus in die Fruska Gora, das Umland von Novi Sad, um dort zwei an stillen und ruhigen Orten gelegene orthodoxe Klöster zu besichtigen, und für ein Abendessen mit Spaziergang in die Stadt Karlovci, in der die Habsburger 1699 mit den Osmanen den „Frieden von Karlowitz“ geschlossen haben. Das ländliche Serbien zeigt sich in dieser Gegend als sehr grün und hügelig, viele der Häuser der dort lebenden Menschen sind nicht so ärmlich, wie ich angenommen hatte, und in einem Kloster können wir Mönchen bei sehr gemächlichen Mäharbeiten in der Idylle zusehen. In der nicht sehr groß wirkenden Stadt Karlovci sticht die Unreglementiertheit des „serbischen Lebens“ im Vergleich zu Österreich hervor: Kinder spielen mit dem Ball mitten auf der Straße, und bei den vielen sehr alten Autos, die an unseren Tischen unter Sonnenschirmen vorbeifahren, scheint es keine strengen Sicherheitsvorschriften zu geben. Alles was zählt, scheint die Fahr- und Funktionstauglichkeit zu sein...
Abends am Bahnhof in Novi Sad dann erstaunt uns (das „serbische Leben“ betreffend), wie ein Haufen junger Leute nach einer Lautsprecherdurchsage den Bahnsteig einfach quer über die Gleise wechselt, was man am Grazer Hauptbahnhof niemals sehen und wagen würde. Unser Zug, der um 21.23 kommen sollte, hat etwa 20 Minuten Verspätung, und ich glaube, dies wurde nie durchgesagt. Als wir nach einer einstündigen Fahrt dann in Stara Pazova (oder so) auf unseren Anschlusszug warten, wissen wir stundenlang nicht, wo er bleibt, bis er dann schließlich um 1 Uhr morgens mit 2 ½ Stunden Verspätung auftaucht. Auch hier gibt es Interessantes zu beobachten: Hörbar slowenische Jugendliche (die vermutlich ebenfalls vom EXIT-Festival nach Hause reisen) schlafen seelenruhig am Bahnsteig zwischen den Gleisen am Boden, und viele von ihnen sitzen die ganze Zeit auf (!) dem ersten Gleiskörper zusammen und feiern ein bisschen. Nicht einmal eine arm aussehende ältere Frau, die in einem Bahnhofswarteraum aus uns nicht verständlichen Gründen wütet, eine Scheibe einschlägt und immer wieder lauthals mit den Jugendlichen schimpft, wird von einem Bahnhofsbediensteten in irgendeiner Form zurecht gewiesen. Doch unser Tageshöhepunkt wartet erst im um 1 Uhr endlich ankommenden Zug Richtung Zagreb und Slowenien: er ist dermaßen überfüllt, dass unsere reservierten Plätze großteils längst von anderen Menschen eingenommen sind und es kaum jemandem von uns gelingt, sie wieder frei zu bekommen. Bei zwei Slowenen sehe ich dies klappen, doch weder Herr Prof. Kaser mit seinen scheinbar recht guten Serbokroatisch-Kenntnissen, geschweige denn ein Kollge oder ich mit unserem Englisch, auf das wir keine Antwort bekommen, sind in der Lage, drei Bosnier (und zwei Bosnierinnen), die sich standhaft weigern, ihren Platz wieder herzugeben und stattdessen so wie wir am total überfüllten 80 cm breiten Gang Platz zu nehmen, aus einem für uns zur Gänze reservierten Abteil zu vertreiben. Da helfen nicht einmal Prof. Kasers Vorweisen unserer Tickets mit Reservierung oder seine „Policija! Policija!“-Rufe. So bleibt für etwa 11 von uns nichts anderes übrig, als es uns an diesem engen Gang irgendwie einzurichten, ohne dass wir eine Ahnung haben, wie wir diese Tortur bis sieben oder neun Uhr morgens aushalten sollen. Einige von uns setzen sich auf ihre Koffer und stehen manchmal auf, und in dieser Situation sind wir froh, ein zu öffnendes Zugfenster zu haben, und ich verstehe nun den Lärm der Briten bei der Anreise am Gang des Zuges – was einem bei diesen Qualen noch bleibt, sind Galgenhumor und andere Späße, denn lachend erträgt man sie leichter. So können es sich ein Kollege und ich nicht verkneifen, die aus unserer Sicht unfairen Bosnier in dem Abteil, vor dem wir stehen, hin und wieder durch lautes Anklopfen und einmal durch Einschalten des Lichtes in ihrem Abteil ebenfalls am Schlafen zu hindern. Ich ernte dafür den „Stinkefinger“. Immerhin gibt es für sie andere Regeln als bei uns – sie waren es, die als erste diesen Platz gefunden haben. Der Spuk des Stehens (in einer Situation wie fast auf der sinkenden Titanic) endet für mich jedoch glücklich, als gegen dreiviertel 4 ein Platz im Nebenabteil frei wird und keiner meiner KollegInnen, denen ich ihn anbiete, ihn für sich in Anspruch nehmen will und ritterlich zurückweist. Dort finde ich sitzend ein wenig Schlaf und versäume, wie weder der Schaffner noch die Polizisten bei der Passkontrolle an der serbisch-kroatischen Grenze gegen die „Reservierungsdiebe“ vorgehen und wie die lange Nacht meiner KollegInnen weiter verläuft. Unser Anschlusszug in Zagreb ist bei der Verspätung, die wir mittlerweile aufgerissen haben und die in diesen Gegenden scheinbar ganz alltäglich ist, natürlich weg, doch gibt es irgendwo in Slowenien für uns einen anderen Zug, in den wir umsteigen und der uns auch schon um 13.48 (pünktlich; statt um halb 12) in Graz Hauptbahnhof einfahren lässt.
Zusammenfassend hat mich Serbien positiv überrascht, vor allem in puncto Modernität (wie die Stadt Novi Sad, und dort vor allem das Stadtzentrum, das sich kaum von „westeuropäischen Städten“ unterscheidet) und die Freundlichkeit der dort lebenden Menschen. Törichterweise habe ich mit Bildern von vielen kroatischen und anderen ehemaligen Flüchtlings-Jugendlichen vom Balkan aus den Grazer Straßenbahnen im Kopf „ruppigere“ Umgangsweisen erwartet. Vor allem die Polizisten sind mir dabei positiv aufgefallen - nicht einen einzigen habe ich getroffen, der unfreundlich oder grantig zu mir gewesen wäre. Wer weiß, vielleicht ist es einige Jahre nach Kriegsende ihre Mission, sich für die Menschen einzusetzen anstatt autoritär auf sie herabzusehen, wie es in Österreich vorkommen soll. Oder, die Menschen haben einfach einen anderen Bezug zur Rechtsstaatlichkeit. Des Weiteren erscheint das Land einigen (männlichen) Kollegen und mir auf den ersten Blick ein bisschen wie ein „Schlaraffenland“ aufgrund der vielen Frauen, die in Novi Sad um ein "sexy Aussehen“ bemüht sind, ohne aber viel über die Konsequenzen dieser Erscheinung nachzudenken. Auch die niedrigen Preise vieler Dinge gehören hier erwähnt. Und der Modernität entgegen stehend haben mich auch die so zahlreichen Autos ungemein alter Baujahre (1960er und 1970er) in Verzückung gesetzt. Was die Organisation des EXIT-Festivals betrifft, ist es für mich, neben der verblüffenden Polizeipräsenz, letzten Endes (aufgrund der sonstigen Gemächlichkeit des serbischen Alltagslebens) eine Überraschung, dass das Festivalgelände scheinbar so gut durchdacht und die Pläne so konsequent und erfolgreich umgesetzt worden sind. Beim Abschreiten des so gut angelgten Campingplatzes für die Gäste sieht man auch gerne darüber hinweg, dass er doch recht weit entfernt liegt. Der hauptsächliche Nutzen unserer Exkursion besteht für mich darin, einmal die Erfahrung zu machen, in einer Feldforschungssituation zu sein, um zu erkennen, mit welchen Schwierigkeiten man zu rechnen hat. Begleitend kommt hinzu, ein bisher unbekanntes Land in einer Region, in die man nicht so oft auf Urlaub fährt, ein wenig kennen und schätzen gelernt zu haben.
Wie immer Frühstück um halb 10 und anschließend (um 10 Uhr) die "Ansprache" unseres Herrn Prof. Kaser. Auch heute stellt sich ein gewisser "Mangel" an Problemen in den Forschungsgruppen heraus, sodass wir bald zur Diskussion über den Inhalt unseres letzten Tages in Novi Sad (am Montag) überwechseln können. Seltsamerweise sind heute "ungefähr alle" dafür, dass wir am Montag einen Ausflug in die Fruska Gora und nach Karlovci machen werden. Ich bin auch nicht abgeneigt, denn dort kann man sicher auch etwas vom Lebensstil der Landbevölkerung erkennen, so hoffe ich. Was unser eigentlich ganz passables Zimmer im Hotel betrifft, lässt nur die Putzleistung des Personals sehr zu wünschen übrig. Ein Staubsauger für Teppichböden scheint hier im Haus nicht vorhanden zu sein, und im Badezimmer steht seit zwei Tagen das Wasser und quillt unter einer Gummimatte hervor. Wir, die "Gruppe Organisation", verbringen den heutigen Nachmittag mit einigen KollegInnen der Gruppe "Sex, Drugs and Rock'n Roll" im Stadtzentrum. Briefmarken für unsere Postkarten bekommt man hier scheinbar nur bei der Post - und dort sind die Beamtinnen ganz im Gegensatz zu unserem allgemeinen Eindruck über die Freundlichkeit der Menschen hier in Serbien alles andere als zuvorkommend und nett. Auch wenn eine ganze Reihe Leute schon am Schalter wartet, wird z.B. eine Minute vor Ende der Mittagspause kein Finger gerührt. Unter den Schatten spendenden Schirmen eines der vielen Lokale in der Nähe des vermeintlichen "Hauptplatzes" finden unsere Kollegen mit zwei als Krankenschwestern mit sehr knappen Röcken verkleideten Kellnerinnen ein gefundenes Fressen. Sie dienen als Werbung für den Energy Drink Flash Power. Überhaupt sind hier in Novi Sad ganz allgemein die Röcke der Frauen deutlich kürzer als bei uns in Österreich. Bei unserem Essen in einem Gastgarten hat einer unserer Kollegen Probleme, ein geeignetes WC mit Licht und Verriegelung zu finden. Im Supermarkt "Delta Maxi" in der Innenstadt gibt es an den Kassen zu meiner großen Überraschung hochmoderne Flachbettmonitors zur Anzeige der bereits bezahlten Waren usw. Die Preise werden mit zwei Kommastellen ausgewiesen, jedoch bezahlt man immer auf Ganze gerundete Preise. Der Supermarkt ist nicht sehr groß, doch der größte, den wir bis jetzt gesehen haben. Ansonsten gibt es sehr viele ganz kleine Lebensmittelgeschäfte, wie sie bei uns seit etwa 15 Jahren aussterben. Als wir von dort um etwa 16 Uhr mit dem Bus zurück in unser Hotel fahren wollen, warten wir 20 Minuten vergeblich auf die Linie 9, obwohl deren Fahrzeiten auch an dieser Haltestelle ausgewiesen sind. Ich vermute, dass dies für alle Linien an allen Haltestellen oder so der Fall ist. Schließlich riskieren wir eine Fahrt mit der Linie 6, die laut Stadtplan ebenso in unsere Richtung fahren müsste. Dem ist auch so, nur werden wir nach Sichtung eines Richtungsschildes "Hotel Duga" an einer Haltestelle nervös und springen zu früh aus dem Bus heraus, wodurch wir einen längeren Fußweg machen müssen, der uns genau zu jener besonderen weißen, russisch-orthodoxen Kirche führt, von der aus es ganz leicht ist, nach Hause zu finden. Den frühen Abend verbringen wir auf der Veranda unseres Hotels mit etwas kräftigeren Kostbarkeiten, wodurch unsere Gruppe stetig anwächst, bis sie schließlich knapp die Hälfte der Exkursionsmannschaft erfasst. Danach, erst nach 9 irgendwann, geht's ab zum Festival. Schon von der Brücke aus, über die man mit dem Bus Nr. 9 hin zur Festung Petrovaradin gelangt, sieht man ein Schild "State of EXIT" an der Festungsmauer angebracht. Und auch an allen Bushaltestellen der Stadt findet man einen Plan des Festivalgeländes sorgfältig aufgehängt. Auf jener Zufahrtsbrücke sieht man massenweise Fußgänger und auch Autos sich zur Festung hinbewegen - letztere werden von Polizisten mit Pfeifen entlang der Donau umgeleitet. Öffentliche Shuttle-Einrichtungen zum Festival sind nicht eingerichtet, dafür reichen die City-Linienbusse Nr. 3 und 9 aus, die fast genau beim Haupteingang stehen bleiben. Ihre Taktung beträgt 12 bis 20 Minuten, wie wir an den Haltestellen ablesen können, und sie verkehren von viertel 6 am Morgen bis etwa 23.30 Uhr. Außerdem gibt es jede Menge an billigen Taxis. Binnenshuttles am Festivalgelände sind nicht vorhanden, dafür sind wohl die Wege zu schmal. Und da das komplette Burggelände zum Zwecke des Festivals verwendet wird und sich überall Stände und Bühnen befinden, würde es auch wenig Sinn machen, motorisiert weite Strecken zurückzulegen. Fluchtwege sind keine zu sehen, denn an vielen Stellen würde man einfach tief fallen. Diese Abgründe sind durch stabile und über zwei Meter hohe Gitter gesichert, dazu gibt es auch in gewissen Abständen Warnschilder vor dem Abgrund. Auch der schmale Nebeneingang nahe der Main Stage scheint nicht als Fluchtweg vorgesehen zu sein. Die Security sind in drei Farben gekleidet: jene mit grünen T-Shirts arbeiten an den Drehkreuzen am Haupteingang, die mit roten T-Shirts stehen an Absperrungen und weisen die Besucher in die richtige Richtung, und schwarz gekleidete Security machen so wie viele Polizisten Patrouille am ganzen Gelände. Alles in allem sind Stefan K., Stefan B. und ich am heutigen kürzeren Besuch am Festival (bis gegen halb zwölf) von der Organisation des Festivals recht begeistert, da es z.B. weder am Eingang, an den Toiletten oder am Bier-Verkauf zu größeren Wartezeiten kommt. Einige Probleme diesbezüglich am ersten Tag scheinen behoben zu sein.
Sonntag, 9. Juli 2006, 4. und letzter Feldforschungstag
Bei unserem 10-Uhr-Treffen weist uns Herr Prof. Kaser darauf hin, wir sollten uns bewusst sein, dass heute der letzte Festival-Tag ist und wir unsere Arbeit abschließen müssen: "Heute muss alles ins Kast’l". Nach einem sehr deftigen nachmittäglichen Essen in der Nähe unseres Hotels, bei dem 4 äußerst freundliche SerbInnen (Kellner und Gäste) vonnöten sind, uns die nur in Serbisch (und Kyrillisch) gehaltene Speisekarte zu erklären, bewegen wir uns um 17.30 Uhr mit dem Bus in Richtung Festivalgelände, denn wir haben bis zum abendlichen Fernseh-Pflichttermin, das Fußball-WM-Finale Italien gegen Frankreich, nicht viel Zeit. Heute sind wir zu viert unterwegs, denn ein (der serbischen Sprache mächtiger) Kollege der Forschungsgruppe "Sex, Drugs and Rock'n Roll" begleitet und unterstützt uns freundlicherweise. Unser erster und wichtigster Programmpunkt für heute ist der Festival-Campingplatz, der doch recht weit vom Festivalgelände entfernt liegt - auf der anderen Seite der Donau, zu Fuß mindestens 15 Minuten! Dort herrscht um etwa 18.30 Uhr viel Stimmung: mit Musik, in der Donau badenden Gästen, umgeben von Speise- und Getränkeständen sowie ausreichend "Toi Toi"-Toiletten. Ich würde den Campingplatz als einen eigenen, besonderen Festivalbereich bezeichnen. Es gibt dort auch Händler für EXIT-T-Shirts (ich kaufe mir ein rotes für 400 Dinar, also etwa 5 Euro), EXIT-Hüte und Buttons von Musikgruppen. Und einen scheinbar wenig verwendeten Fahrrad-Verleih (Rent a bike) - vielleicht, weil die Preise recht hoch sind: pro Tag bezahlt man 1.000 Dinar, für 4 Tage 3.000 Dinar und für eine Stunde 150 Dinar. Dafür handelt es sich jedoch um scheinbar neuwertige Fahrräder. Sonderbar am recht voll belegten Campingplatz scheinen mir die kleinen schwarzen "Tuborg"-Einmannzelte, die alle an einem Eck aufgestellt sind. Am Campingplatz fragen wir auch ein paar Polizisten, ob wir von ihnen ein Foto machen dürfen - sie erklären uns jedoch, dass dies nicht erlaubt ist. Besonders auffallend ist aber ihre ausgesprochene Freundlichkeit und Geduld im Vergleich zu österreichischen Polizisten, aber auch ihre guten Englischkenntnisse im Vergleich zu anderen Bürgern von Novi Sad. Genau dieselbe Erfahrung in puncto Freundlichkeit mache ich mit weiteren ungefähr 7 Polizisten, die ich heute, den Verkehr zum Festival betreffend, Fragen stelle - als einzige Ausnahme kann einer von ihnen kein Englisch sprechen. Jedenfalls kann ich folgendes erfahren: es stimmt, dass die City-Linienbusse 3 und 9 zum Festival hin fahren, die pfeifenden Polizisten nach der Brücke leiten die Autofahrer der Donau entlang um (hier geht es zu keinem besonderen Parkplatz) - Parkmöglichkeiten für Festivalbesucher sind einfach an mehreren Orten in der Nähe der Festung Petrovaradin vorhanden - und diese Umleitung geradeaus in Richtung Haupteingang zum Festival passieren dürfen nur Anrainer und VIPs. Was mir (während die beiden Stefans oben am Festivalgelände noch ein paar Schnappschüsse erledigen) aber noch besonders am Herzen liegt, ist diesen am Plan für die Festung Petrovaradin und das Festivalgelände extra ausgewiesenen "Car Park" auf der anderen Seite der Festung ausfindig zu machen. Dahin scheint es sehr weit zu sein, doch unser "fremder" Kollege aus der anderen Gruppe begleitet mich so treu wie Sancho Pansa seinen Herrn Don Quijote auf meiner Wanderung. So verrückt und spaßig diese auch ist, als wir (ich) jeden Polizisten, den wir antreffen, um Auskunft fragen - nach einer halben Stunde in eine Richtung und ungünstigen Entfernungsprognosen sowie Zeitknappheit (es ist bereits 19.45 Uhr) müssen wir sie abbrechen und versuchen am Rückweg zum Haupteingang wenigstens den schon zuvor bemerkten kleineren Parkplatz ein wenig zu analysieren. Und zwar sind Alter als auch Marken der Fahrzeuge recht bunt gemischt - neben einheimischen, sehr alten Yugos und Zastavas, gibt es vor allem auch etwas ältere (1980er) deutsche (VW und Opel) und französische Autos (Renault, Peugeot). An tendenziell neueren Marken sind Skoda, Ford und eine bunte Mischung aus "Japanern" vorhanden. Mein Gefährte ist auch in der Lage, mir den Hinweiszettel (einfach an einem Mast angeschlagen) vom Serbischen ins Deutsche zu übersetzen. Nachdem wir oben beim Haupteingang die beiden Stefans noch einmal treffen, stellen wir in einer kleinen abschließenden Runde noch fest, dass es neben der nicht allzu großen Main Stage weitere 11 knapp halb so große Nebenbühnen gibt und dass eine kulturelle Einbindung dieser historischen Festung für das EXIT-Festival so gut wie gar nicht stattfindet und sie daher kaum zu Repräsentationszwecken verwendet wird. Als einzigen besonderen Vorteil der durch die Burg erhöhten Lage des Festivals (zu dem laut Information unseres Prof. Kaser insgesamt 140.000 Besucher erschienen sind, also etwa 35.000 pro Tag) bemerken wir die allgemeine Augenscheinlichkeit des Veranstaltungsortes von Weitem und von allen Richtungen aus. Zurück in unser Hotel geht's heute mit dem Bus, da wir vermeintlich noch genügend Zeit haben - aber dort angekommen muss ich mit Bedauern feststellen, dass das Fußball-WM-Finale Italien gegen Frankreich entgegen meines Wissens bereits um 20 statt 21 Uhr angepfiffen wurde und schon einige von unserer Exkursionsgruppe in der Hotel-Aula vor dem großen Fernsehbildschirm sitzen. Trösten kann mich aber der unentschiedene Halbzeitstand von 1:1, das um 30 Minuten verlängerte Spiel mit einer Entscheidung erst im Elferschießen und dass der Pokal endlich mal wieder nach Italien wandert.
HEIMREISE:
Montag, 10. Juli – Dienstag, 11. Juli 2006
Bevor wir die Heimreise antreten, fährt die ganze Exkursionsmannschaft am Montagnachmittag mit einem gemieteten Bus in die Fruska Gora, das Umland von Novi Sad, um dort zwei an stillen und ruhigen Orten gelegene orthodoxe Klöster zu besichtigen, und für ein Abendessen mit Spaziergang in die Stadt Karlovci, in der die Habsburger 1699 mit den Osmanen den „Frieden von Karlowitz“ geschlossen haben. Das ländliche Serbien zeigt sich in dieser Gegend als sehr grün und hügelig, viele der Häuser der dort lebenden Menschen sind nicht so ärmlich, wie ich angenommen hatte, und in einem Kloster können wir Mönchen bei sehr gemächlichen Mäharbeiten in der Idylle zusehen. In der nicht sehr groß wirkenden Stadt Karlovci sticht die Unreglementiertheit des „serbischen Lebens“ im Vergleich zu Österreich hervor: Kinder spielen mit dem Ball mitten auf der Straße, und bei den vielen sehr alten Autos, die an unseren Tischen unter Sonnenschirmen vorbeifahren, scheint es keine strengen Sicherheitsvorschriften zu geben. Alles was zählt, scheint die Fahr- und Funktionstauglichkeit zu sein...
Abends am Bahnhof in Novi Sad dann erstaunt uns (das „serbische Leben“ betreffend), wie ein Haufen junger Leute nach einer Lautsprecherdurchsage den Bahnsteig einfach quer über die Gleise wechselt, was man am Grazer Hauptbahnhof niemals sehen und wagen würde. Unser Zug, der um 21.23 kommen sollte, hat etwa 20 Minuten Verspätung, und ich glaube, dies wurde nie durchgesagt. Als wir nach einer einstündigen Fahrt dann in Stara Pazova (oder so) auf unseren Anschlusszug warten, wissen wir stundenlang nicht, wo er bleibt, bis er dann schließlich um 1 Uhr morgens mit 2 ½ Stunden Verspätung auftaucht. Auch hier gibt es Interessantes zu beobachten: Hörbar slowenische Jugendliche (die vermutlich ebenfalls vom EXIT-Festival nach Hause reisen) schlafen seelenruhig am Bahnsteig zwischen den Gleisen am Boden, und viele von ihnen sitzen die ganze Zeit auf (!) dem ersten Gleiskörper zusammen und feiern ein bisschen. Nicht einmal eine arm aussehende ältere Frau, die in einem Bahnhofswarteraum aus uns nicht verständlichen Gründen wütet, eine Scheibe einschlägt und immer wieder lauthals mit den Jugendlichen schimpft, wird von einem Bahnhofsbediensteten in irgendeiner Form zurecht gewiesen. Doch unser Tageshöhepunkt wartet erst im um 1 Uhr endlich ankommenden Zug Richtung Zagreb und Slowenien: er ist dermaßen überfüllt, dass unsere reservierten Plätze großteils längst von anderen Menschen eingenommen sind und es kaum jemandem von uns gelingt, sie wieder frei zu bekommen. Bei zwei Slowenen sehe ich dies klappen, doch weder Herr Prof. Kaser mit seinen scheinbar recht guten Serbokroatisch-Kenntnissen, geschweige denn ein Kollge oder ich mit unserem Englisch, auf das wir keine Antwort bekommen, sind in der Lage, drei Bosnier (und zwei Bosnierinnen), die sich standhaft weigern, ihren Platz wieder herzugeben und stattdessen so wie wir am total überfüllten 80 cm breiten Gang Platz zu nehmen, aus einem für uns zur Gänze reservierten Abteil zu vertreiben. Da helfen nicht einmal Prof. Kasers Vorweisen unserer Tickets mit Reservierung oder seine „Policija! Policija!“-Rufe. So bleibt für etwa 11 von uns nichts anderes übrig, als es uns an diesem engen Gang irgendwie einzurichten, ohne dass wir eine Ahnung haben, wie wir diese Tortur bis sieben oder neun Uhr morgens aushalten sollen. Einige von uns setzen sich auf ihre Koffer und stehen manchmal auf, und in dieser Situation sind wir froh, ein zu öffnendes Zugfenster zu haben, und ich verstehe nun den Lärm der Briten bei der Anreise am Gang des Zuges – was einem bei diesen Qualen noch bleibt, sind Galgenhumor und andere Späße, denn lachend erträgt man sie leichter. So können es sich ein Kollege und ich nicht verkneifen, die aus unserer Sicht unfairen Bosnier in dem Abteil, vor dem wir stehen, hin und wieder durch lautes Anklopfen und einmal durch Einschalten des Lichtes in ihrem Abteil ebenfalls am Schlafen zu hindern. Ich ernte dafür den „Stinkefinger“. Immerhin gibt es für sie andere Regeln als bei uns – sie waren es, die als erste diesen Platz gefunden haben. Der Spuk des Stehens (in einer Situation wie fast auf der sinkenden Titanic) endet für mich jedoch glücklich, als gegen dreiviertel 4 ein Platz im Nebenabteil frei wird und keiner meiner KollegInnen, denen ich ihn anbiete, ihn für sich in Anspruch nehmen will und ritterlich zurückweist. Dort finde ich sitzend ein wenig Schlaf und versäume, wie weder der Schaffner noch die Polizisten bei der Passkontrolle an der serbisch-kroatischen Grenze gegen die „Reservierungsdiebe“ vorgehen und wie die lange Nacht meiner KollegInnen weiter verläuft. Unser Anschlusszug in Zagreb ist bei der Verspätung, die wir mittlerweile aufgerissen haben und die in diesen Gegenden scheinbar ganz alltäglich ist, natürlich weg, doch gibt es irgendwo in Slowenien für uns einen anderen Zug, in den wir umsteigen und der uns auch schon um 13.48 (pünktlich; statt um halb 12) in Graz Hauptbahnhof einfahren lässt.
Zusammenfassend hat mich Serbien positiv überrascht, vor allem in puncto Modernität (wie die Stadt Novi Sad, und dort vor allem das Stadtzentrum, das sich kaum von „westeuropäischen Städten“ unterscheidet) und die Freundlichkeit der dort lebenden Menschen. Törichterweise habe ich mit Bildern von vielen kroatischen und anderen ehemaligen Flüchtlings-Jugendlichen vom Balkan aus den Grazer Straßenbahnen im Kopf „ruppigere“ Umgangsweisen erwartet. Vor allem die Polizisten sind mir dabei positiv aufgefallen - nicht einen einzigen habe ich getroffen, der unfreundlich oder grantig zu mir gewesen wäre. Wer weiß, vielleicht ist es einige Jahre nach Kriegsende ihre Mission, sich für die Menschen einzusetzen anstatt autoritär auf sie herabzusehen, wie es in Österreich vorkommen soll. Oder, die Menschen haben einfach einen anderen Bezug zur Rechtsstaatlichkeit. Des Weiteren erscheint das Land einigen (männlichen) Kollegen und mir auf den ersten Blick ein bisschen wie ein „Schlaraffenland“ aufgrund der vielen Frauen, die in Novi Sad um ein "sexy Aussehen“ bemüht sind, ohne aber viel über die Konsequenzen dieser Erscheinung nachzudenken. Auch die niedrigen Preise vieler Dinge gehören hier erwähnt. Und der Modernität entgegen stehend haben mich auch die so zahlreichen Autos ungemein alter Baujahre (1960er und 1970er) in Verzückung gesetzt. Was die Organisation des EXIT-Festivals betrifft, ist es für mich, neben der verblüffenden Polizeipräsenz, letzten Endes (aufgrund der sonstigen Gemächlichkeit des serbischen Alltagslebens) eine Überraschung, dass das Festivalgelände scheinbar so gut durchdacht und die Pläne so konsequent und erfolgreich umgesetzt worden sind. Beim Abschreiten des so gut angelgten Campingplatzes für die Gäste sieht man auch gerne darüber hinweg, dass er doch recht weit entfernt liegt. Der hauptsächliche Nutzen unserer Exkursion besteht für mich darin, einmal die Erfahrung zu machen, in einer Feldforschungssituation zu sein, um zu erkennen, mit welchen Schwierigkeiten man zu rechnen hat. Begleitend kommt hinzu, ein bisher unbekanntes Land in einer Region, in die man nicht so oft auf Urlaub fährt, ein wenig kennen und schätzen gelernt zu haben.